
Ben Lars Schlitz wurde 1971 in Stuttgart geboren. Er ist Autor, Forscher und Journalist. Zu seinen Fachgebieten gehören neben Sport auch Glücksspiel, Kryptowährungen und Technologie. Seine akademische Laufbahn führte ihn durch zwei der renommiertesten Hochschulen Deutschlands: Mannheim und Heidelberg. Heute schreibt er auf Deutsch und Englisch über Themen, die irgendwo zwischen Philosophie und Fintech, zwischen Nervenkitzel und Analyse liegen. Dabei geht es ihm nie nur um Zahlen, Quoten oder Ergebnisse. Er versucht stets, all das in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
Ein Denker im Stadion
Wenn man Ben Lars Schlitz begegnet, erwartet man vielleicht einen typischen Sportreporter. Also jemand, der die neuesten Transfers kennt und auf Abruf den Tabellenstand der Bundesliga aufsagen kann. Doch das Gespräch mit ihm verläuft schnell anders als gedacht. Statt über Formationen oder Statistiken spricht er über Fragen, die eher in einem philosophischen Seminar als im Stadion gestellt werden: „Warum spielen Menschen überhaupt?“, „Was sagt eine Wette über den Zustand einer Gesellschaft?“ oder „Gibt es so etwas wie ethisches Glücksspiel?“
„Ich habe früh gemerkt, dass mich die Strukturen hinter dem Spiel einfach mehr interessieren als das Spiel selbst“, sagt er, während er entspannt an seinem Espresso nippt. Er wirkt ruhig, reflektiert, aber immer bereit, tief ins Thema einzutauchen.
Vom Denken zum Tippen
Was für viele einfach Unterhaltung ist, ist für Schlitz ein komplexes System rund um menschliche Entscheidungen. Die Welt des Glücksspiels sieht er nicht als moralisches Minenfeld, sondern vielmehr als etwas Kulturelles. „Menschen haben schon immer gespielt. Die Frage ist nicht, ob das gut oder schlecht ist, sondern wie wir damit umgehen.“
Für ihn ist jede Wette eine Art These. Wir versuchen, eine Annahme über die Zukunft zu treffen, indem wir auf Intuition und Wissen vertrauen. „Wer wettet, denkt“, sagt er. „Ob es darum geht, dass die Golden State Warriors nach einem Rückstand aufholen oder ob Giannis Antetokounmpo mal wieder ein 40-Punkte-Spiel abliefert – es ist immer eine Entscheidung mit Kontext.“
Philosophie als Brille
Die Philosophie, so erzählt er, sei für ihn wie eine Art Fernglas. „Sie hilft mir, Muster zu erkennen. Sie zwingt mich, Dinge zu hinterfragen, die andere einfach hinnehmen. Ich möchte Dinge nicht einfach hinnehmen. Ich möchte sie verstehen.“
Er verweist auf Denker wie Nietzsche, Schopenhauer oder Wittgenstein – alle Persönlichkeiten, die im Grunde nichts mit Sportjournalismus zu tun haben. Dennoch tauchen sie in seinen Texten immer wieder auf. „Nietzsche hat vom Leben als Kunstwerk gesprochen. Ich glaube, man kann auch das Spiel als Kunstform verstehen.“ Diese Kunstform sieht Schlitz auch bei den Miami Heat in engen Playoff-Spielen, wenn Jimmy Butler zur unberechenbaren Wild Card wird.
Grenzgänger zwischen Welten
Was Schlitz besonders macht, ist sein Spagat. Er kennt nicht nur die Emotionen der Sportfans, sondern auch die Sprache der akademischen Denkwelt. Er analysiert Quoten wie ein Analyst, denkt wie ein Philosoph und schreibt wie ein Erzähler.
„Ich will keine News liefern – davon gibt’s genug. Ich will Kontexte schaffen. Wenn jemand nach dem Lesen eines Artikels plötzlich anders auf ein Spiel oder eine Entscheidung schaut, dann habe ich mein Ziel erreicht.“
Zwischen Linien lesen
Seine Artikel erscheinen heute auf spezialisierten Plattformen im deutsch- und englischsprachigen Raum. Inhaltlich bewegen sie sich irgendwo zwischen Essay, Reportage und Kommentar – oft mit überraschenden Querverweisen. „Ich hatte mal einen Text, da habe ich Aristoteles mit der Taktik der San Antonio Spurs verglichen. Das hat erstaunlich gut funktioniert.“
In einer Welt, in der Sport oft zur reinen Unterhaltung degradiert wird, bietet Schlitz etwas anderes: Tiefe. Und manchmal sogar eine Prise Ironie. „Wenn man bei allem zu ernst wird, verliert man den Spaß. Aber wenn man alles nur als Spaß sieht, verpasst man das Wesentliche. Es geht um die richtige Mischung und diese Mischung liefere ich.“
Er lacht, als er von einem Artikel erzählt, in dem er die Brooklyn Nets als tragisches Theaterstück mit Kyrie Irving in der Hauptrolle beschrieben hat. „Ich glaube, Shakespeare hätte an der NBA seine Freude gehabt.“
Spielräume im Kopf
Wenn man Ben Lars Schlitz länger zuhört, merkt man: Für ihn ist das Spielfeld nicht nur ein Parkett mit einer Dreierlinie. Nein, es ist eine Bühne, auf der sich Strategie und Zufall begegnen. Seine Analysen, Beobachtungen und Gedanken drehen sich daher immer wieder um einen zentralen Punkt. Er will begreifen, wie Entscheidungen entstehen und welche Auswirkungen sie auf den Spielverlauf haben.
„Jeder Spieler hat seinen eigenen mentalen Spielplatz. Jede Wette, jede Bewegung, jede Unsicherheit entsteht zuerst im Kopf“, sagt er. „Ob Torwart oder Tipper, Trainer oder Trader – sie alle seien Teil eines größeren Spiels, in dem es um mehr geht als nur um Sieg oder Niederlage. Es geht darum, sich selbst zu verwirklichen.“
Gerade deshalb setzt sich Schlitz auch mit Themen wie emotionaler Intelligenz, Entscheidungspsychologie und Selbstwahrnehmung auseinander. „Ich glaube, wer den Sport wirklich verstehen will, muss tiefer schauen. Was passiert zwischen Impuls und Handlung?“
Er spricht von „inneren Quoten“, von „mentaler Taktik“ – Begriffe, die man so eher aus der Coaching- oder Therapieecke kennt. Doch Schlitz macht daraus keine esoterische Wolke, die einen direkt abschreckt. Stattdessen schafft er strukturierte Denkmodelle, die das Spiel aus einer psychologischen Perspektive betrachten.
Ein Ausblick ohne Endstand
Fragt man Ben Lars Schlitz nach Zukunftsplänen, weicht er schnell aus. Selbst auf seinen akademischen Werdegang von der wirtschaftsnahen Universität Mannheim zur geisteswissenschaftlich geprägten Universität Heidelberg geht er nur ungern ein. Nur so viel: Es wird schon bald ein neues Buch geben – irgendwo zwischen Analyse, Erzählung und Philosophie. Vielleicht auch ein Podcast. „Ich mag Formate, die atmen können. Wo man nicht in 90 Sekunden alles sagen muss. Manchmal braucht es einfach mehr Tiefe.“
Zum Abschied sagt er noch: „Ich sehe mich nicht als klassischen Sportjournalisten. Eher als jemand, der mithilfe des Spiels versucht, das Menschliche zu verstehen. Solange Menschen spielen – ob bei den Boston Celtics, den Denver Nuggets oder in einem Amateurstadion in der Provinz – wird mir der Stoff nie ausgehen.“
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