
Als Mario Götze das Spielfeld im Finale der Weltmeisterschaft 2014 betrat, sagte Bundestrainer Joachim Löw nur sechs Worte zu ihm: „Zeig, dass du besser bist als Messi.“ Wenige Minuten später erzielte er das Tor, das Deutschland den Weltmeistertitel sicherte – der wohl ikonischste Moment seiner Karriere. Doch während dieses Tor unsterblich wurde, verlief Götzes Weg in den folgenden Jahren alles andere als glanzvoll.
Dies ist die Geschichte eines kometenhaften Aufstiegs, eines dramatischen Absturzes – und eines erstaunlichen Comebacks.
Das Goldene Kind
Schon lange vor jener unvergesslichen Nacht in Rio war Mario Götze ein Phänomen in Deutschland. Mit 17 Jahren debütierte er in der ersten Mannschaft von Borussia Dortmund. Mit 20 hatte er unter Jürgen Klopp bereits zwei Bundesliga-Titel gewonnen. Seine flinken Dribblings, seine enge Ballführung – die Vergleiche mit Lionel Messi ließen nicht lange auf sich warten. Ronaldinho nannte ihn einen zukünftigen Superstar. Götze war mehr als nur ein Talent – er galt als Blaupause für das neue, moderne deutsche Offensivspiel.
Kein Wunder, dass Bayern München aufmerksam wurde. 2013 schlugen sie zu.
Klopp versuchte, Götze zum Bleiben zu überreden. Und Götze selbst gab später zu, dass er diesen Wechsel bereute. Doch als großer Barcelona-Fan war für ihn die Aussicht, unter Pep Guardiola zu spielen, einfach zu verlockend. Für Götze ging es nicht um Verrat – sondern um Entwicklung.
Aber die Reaktionen in Dortmund waren heftig. Bayern war bereits dafür bekannt, die besten Spieler der Konkurrenz abzuwerben. Götze war nur das neueste Beispiel. Der Hass war so groß, dass seine Familie zeitweise Polizeischutz benötigte.
Ein holpriger Start
Auch Götzes Vorstellung in München verlief nicht ideal. Bei seiner ersten Pressekonferenz trug er ein Nike-T-Shirt – ein direkter Affront gegen Bayerns Ausrüster Adidas. Ein vermeintlicher Fauxpas, der jedoch schwer wog. Plötzlich lautete die Frage: Ging es Götze mehr um Marketing als um Fußball?
Und auch auf dem Platz wurde es kompliziert.
Zwar hatte er sich auf die Zusammenarbeit mit Guardiola gefreut, doch die bittere Wahrheit war: Pep wollte eigentlich Neymar verpflichten – nicht Mario. Und als Götze diesen Erwartungen nicht gerecht wurde, saß er bei den großen Spielen nur auf der Bank.
Dieses Gefühl der Enttäuschung setzte sich bei der Weltmeisterschaft fort. Vor dem Finale hatte Götze in der K.o.-Phase nur 53 Minuten gespielt. In seinen eigenen Worten waren die Nächte vor dem Endspiel „die traurigsten meiner Karriere.“ Und dann… wurde er zum Helden.
Diese Brustannahme. Dieser Volley. Dieser Moment.
Der Absturz
Ein WM-Sieg kann der Höhepunkt einer Karriere sein – oder ihr Wendepunkt ins Negative. Bei Götze war Letzteres der Fall.
Zwar absolvierte er eine solide Saison bei Bayern, doch die Erwartungen an einen Weltmeister waren übermenschlich. Seine Statistiken waren gut – aber nicht Messi-like, und genau das wurde von ihm verlangt.
Er versuchte alles. Er blieb länger im Training, schob Extraschichten im Kraftraum, pushte sich an die Grenze. Doch sein Körper spielte nicht mit. Er fühlte sich langsamer, schwerfälliger – als hätte er die Leichtigkeit aus Dortmunder Tagen verloren.
2016 kehrte er zurück zum BVB – auf der Suche nach sich selbst. Doch stattdessen folgten Verletzungen, Formtiefs und Spott.
Die Presse warf ihm mangelnden Einsatz vor. Selbst einige Mitspieler nannten ihn spöttisch „Pummelfee“. Doch hinter dieser Fassade steckte etwas Ernstes. Götze litt – körperlich wie mental.
Ständige Erschöpfung, fehlende Motivation – schließlich ließ er Bluttests machen. Die Diagnose: eine Muskelerkrankung namens Myopathie. Sein Arzt sagte es so: „Er hatte Muskelmasse wie ein Bodybuilder, aber keine Kraft.“
Die Zwangspause
Es folgte eine fünfmonatige Zwangspause. Zum ersten Mal seit seinen Teenagerjahren war Götze komplett raus aus dem Fußball. Später sagte er: „Nicht zu spielen war die Hölle.“
Ein Spieler, der sich nach dem WM-Triumph nur 20 Tage Urlaub gönnte – musste plötzlich komplett stoppen. Und als er zurückkam, war nichts wie zuvor. Er fand keinen Anschluss mehr beim BVB. Und wurde bei der WM 2018 nicht einmal nominiert.
2020 lief sein Vertrag aus. Bayern zeigte zögerliches Interesse. Auch Manchester United war im Gespräch. Doch zeitweise sah es so aus, als würde Götze erstmals in seiner Karriere vereinslos dastehen.
Neuanfang in Eindhoven
Schließlich kam PSV Eindhoven mit einem Angebot.
Götze nahm es an – nicht nur, um weiterzuspielen, sondern um den Spaß am Fußball wiederzufinden. Doch die Angst vor dem Leben nach dem Sport war geblieben. Also begann er, sich mit Karrieren nach dem Sport zu beschäftigen – mit Vorbildern wie Joe Montana, Serena Williams oder David Beckham. Und gründete sein eigenes Venture-Capital- und Private-Equity-Unternehmen.
Gleichzeitig wandelte er sich privat. Yoga, Taekwondo, sogar Stricken – Götze wollte mehr sein als nur Fußballer. Er wollte ganzheitlich leben.
Und mit diesem Mindset kam auch sportlich eine Wende.
Zwar war er nicht mehr spektakulär, aber verlässlich. In der Saison 2021/22 kam er auf 52 Einsätze für PSV. Für jemanden, den viele schon abgeschrieben hatten, war das ein starkes Statement. Und dann die Überraschung: eine Nominierung für den WM-Kader 2022.
Der Spielmacher
2022 kehrte Götze in die Bundesliga zurück – zu Eintracht Frankfurt. Doch er war nicht mehr der gleiche Spieler.
Der flinke Dribbler war verschwunden. Stattdessen agierte er als tiefstehender Spielmacher, der das Spiel organisierte, Lücken aufriss und seine jüngeren Mitspieler glänzen ließ. Götze musste nicht mehr der Star sein. Er wurde der Taktgeber.
Und das Wichtigste: Er genießt den Fußball wieder.
Der Kreis schließt sich
Mario Götzes Geschichte ist keine glatte Heldenerzählung. Es ist eine Geschichte von Talent, Erwartungsdruck, Schmerz, Neuanfang – und Resilienz. Vom Messi-Vergleich zum „Pummelfee“-Spott. Vom WM-Finale zur Vereinslosigkeit. Vom Glanz Rios zum stillen Glück in Frankfurt.
Heute lacht Götze wieder auf dem Platz.
Und das – mehr noch als das Finaltor – ist vielleicht sein größter Sieg.
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